Multipage paper vs. multitouch tablet




Frühling 2012. Guten morgen Samstag! Die Kaffeemaschine röchelt, der Frühling läd nach dem Ausschlafen schon mal mit angenehmen 22 Grad auf den frisch für den Sommer präparierten Balkon zum Frühstücken ein. Termine? Am Montag wieder.
 
Das ist der perfekte Tag.  Erst die Nachrichten am Frühstückstisch lesen, danach - den gesamten Mittag lang - in die spannende Welt eines Krimis eintauchen. Was der Abend bringt, wird sich ergeben. So der Plan. Ein Traumtag kann beginnen!
 
Der Frühstückstisch ist gedeckt. Jetzt schnell den schicken Multitouch-Tablet PC eines hippen Herstellers  aus dem Regal angeln und booten. Seit ich das neue Teil der dritten und ausgereiften Gerätegeneration besitze, habe ich alle Zeitungs- und Zeitschriftenabos gekündigt. Teilweise bin ich auf Paid-Content Angebote der Verlage umgestiegen. Total hip, schnell, überall abrufbar und absolut einfach.
 
Noch während ich am Balkontisch Platz nehme, die Füße hochlege und mich zurücklehne, ist der Tablet fertig mit der Initialisierung. Ein, zwei, drei schnelle Fingermoves und schwupp - oh je, die kleine Wolke am Himmel gibt der Sonne wieder freie Sicht auf Mutter Erde.
 
Aha. Ich wußte ja gar nicht, dass meine Nase heute der Aufmacher bei Bild.de, Spiegel-Online und allen relevanten Newsportalen im Netz ist. Die Sonne wird noch greller. Kleinste Hautunreinheiten werden sichtbar. Einzig die Staubkörner auf dem Monitor trüben jetzt noch das perfekte Spiegelbild. Von Paid Content keine Spur mehr auf dem Touchscreen. Also gut, ich dreh den Stuhl in einen günstigeren Lichteinfallswinkel und der Sonnenschirm wird aufgespannt. Jetzt ists besser. Mein Spiegelbild mit circa 60 Prozent Transparenz läßt die Content-Hintergrundebene wieder sichbar werden. 
 
"Bitte einloggen" steht da mittlerweile, "Ihre Sitzung ist abgelaufen". Jaaa. Der Tablet-Pen liegt noch drin, also muß die Texteingabe per Fingermethode herhalten.Tippen hieß es doch? U-ser-name, Pass-word, Eingabe, Plop. "Sehr geehrter Herr ..., Ihr Abonnement ist leider abgelaufen." Ahhhh. Ruuuhig, kein Problem. Via den neuen und innovativen Online-Bezahlsystemen kann ich ja jederzeit einen weitern Monat, sogar tageweise Zugang zu den kostenpflichtigen Inhalten nachbuchen.     
 
Einloggen beim Anbieter meiner Wahl. Das Geld reicht nie und nimmer für eine Aboverlängerung. Läppische 83 Cent kann ich noch live verprassen. Na gut, ich geb auf. Dann klick ich halt ein paar Agenturticker durch, gewichte die Nachrichten selbst - bin ja schließlich aus der Branche - und verzichte heut mal auf exklusive Bezahlinhalte.  
 
Und siehe da, auch ohne Vorauswahl, Bewertung und Gewichtung durch die Nachrichtenredakteure bin ich fündig geworden. Im Nachbarort hats übel gebrannt. Die Polizei vermutet Brandstiftung. Interessant! "Kann ich den Artikel mal lesen?", kommt postwendend von der anderen Tischseite. Mann, warum haben Tablets keine Bücher wie Tageszeitungen? Dann könnt ich jetzt ganz einfach den Lokalteil rüberrereichen und selbst den Mantel weiterlesen. Aber nein. Ein Stück abbrechen geht nicht. Rüberladen oder selbst danach zu googlen scheitert daran, dass nur ein Gerät vorhanden ist. Also wechselt das Gerät die Tischseite.
 
Nur gut, dass dabei keine Kaffeetasse umgefallen ist, das Kabel für den schwächelnden Akku nicht irgendwo hängen blieb, auf der anderen Tischseite ähnliche Lichtverhältnisse herrschten, ich eh kein Bock mehr auf digitale Nachrichten hatte und vor allem, dass in Wirklichkeit erst das Jahr 2010 verstreicht. Sprich, ich kann die Zukunft noch verändern und eisern an meinem analogen Zeitungsabo festhalten. 
 
 
 



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